8. Mai – Nazideutschland besiegt – ihre Ideen sind geblieben. Für ein besseres Morgen!

Heute, am 8. Mai 2023, jährt sich der „Tag der Befreiung“ zum 78. Mal. Sowohl durch Politiker*innen als auch durch die Medien wird an diesem Tag immer wieder gerne betont, dass die Deutschen vom Faschismus befreit worden wäre. Dieses Narrativ steht unseres Erachtens exemplarisch für den Umgang der deutschen Nachkriegsgesellschaft mit der eigenen Täter*innenschaft. Denn am 8. Mai wurde die Welt vom faschistischen Deutschland befreit, nicht aber Deutschland vom Faschismus! Im Umgang mit dem Untergang des verbrecherischen Systems der Nazis wird gerne vergessen, dass ein Großteil der Deutschen die NSDAP gewählt und den Terror der Nazis somit erst ermöglicht hatte. Die Aussage, dass die Deutschen befreit worden wären, ist somit geschichtsrevisionistisch – dient sie doch lediglich der Selbstbegnadigung. Die Deutschen hatten vielmehr den Krieg verloren und arrangierte sich mit der neuen demokratischen Realität.

Die Geschichte Nachkriegsdeutschlands zeichnet eine erschreckende Kontinuität von nationalsozialistischer Ideologie und deren Auswirkungen von 1945 bis heute. Dass eine sogenannte “Entnazifizierung” höchstens symbolisch stattfand, zeigt die Rehabilitierung zahlreicher Nazigrößen, die ohne Schwierigkeiten in beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften ihr politisches Wirken fortsetzen konnten sowie der damit einhergehende schrittweise Ausschluss ehemaliger Widerstandskämpfer*innen. Seit 1945 sind unzählige weitere Personen Opfer rechter Gewalt geworden. Die Ideologie der Nazis setzt sich seit dem Untergang des faschistischen Deutschlands in einer erschreckenden Kontinuität fort.

Faschismus entsteht nicht einfach im luftleeren Raum. Viele jüdische Autor*innen und Philosoph*innen haben während und nach der Zeit des Faschismus in Deutschland die gesellschaftlichen Verhältnisse analysiert und benannt, in welchen faschistische Ideen entstehen und wachsen können. Die gesellschaftlichen Bedingungen von damals haben sich hier und da gewandelt, an ihren grundlegenden Strukturen hat sich allerdings nichts verändert. Noch immer unterliegt die Gesellschaft einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, welches den Grundsatz der Verwertbarkeit über die grundlegendsten Bedürfnisse der Menschen und ihre Einzigartigkeit stellt. Die Logik dieses Systems beruht auf Konkurrenz anstatt auf Solidarität, auf Akkumulation von Kapital anstatt einem bedürfnisgerechtem Ressourcenzugang für alle. Das Narrativ dieser Gesellschaftsordnung beurteilt eine Person anhand ihrer vermeintlichen Produktivität beziehungsweise objektivierbaren Wert für die Gesellschaft. Diese Kategorisierung von “Menschengruppen” ist einer der Grundpfeiler faschistischer Ideologien. Sie wird von unserem heutigen Wirtschaftssystem nicht nur ermöglicht, sie wird dadurch sogar befeuert. Der zentrale Begriff der Aufarbeitung ist bis heute Vergangenheitsbewältigung. Hierin steckt jedoch die Weigerung, die Kritik an der Menschenfeindlichkeit des Nationalsozialismus auf sich selbst zu beziehen. Max Czollek beschreibt die “Abgrenzung der eigenen Gegenwart von der Vergangenheit [als] zentrales Element der Konstrukion des deutschen Selbstbildes” der zweiten und nachfolgenden Generationen. Damit sich aber ein historisches (Selbst-)Verständnis für die posnationalsozialistische deutsche Gegenwart entwickeln kann, darf man die Vergangenheitsbewältigung nicht von der Gegenwartsbewältigung trennen. Vor dem Hintergrund dieser Analyse betrachtet, müssen wir Theodor W. Adornos erste Forderung an Erziehung, “dass Auschwitz nie mehr sei”, als eine Forderung an uns selbst verstehen. Daraus folgt, dass wir uns in unserem antifaschistischen Wirken stets mit unseren eigenen, verinnerlichten Rassismen, Antisemitismen, Antiziganismen, Sexismen und allen anderen menschenverachtenden Ideologien kritisch auseinandersetzen und diese auch benennen müssen. Wollen wir perspektivisch Faschismus und dessen fürchterliche Auswirkungen verhindern, geht dies Hand in Hand mit der Aufgabe, die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu überwinden.

Uns ist es deshalb wichtig, bereits im Hier und jetzt Ideen eines solidarischen Miteinanders aufzuzeigen und diese zu leben, jenseits von Kapitalismus, Konkurrenz, Ausgrenzung und Nationalismus! Lasst uns gemeinsam für eine emanzipatorische Gesellschaft kämpfen und streiten, in der die Bedürfnisse jeder Person zählen, in der Solidarität über Eigennutz steht und in der die freie Entfaltung aller Personen und gegenseitige Fürsorge im Zentrum des gesellschaftlichen Handelns stehen! Für ein besseres Morgen!