Der 1. Mai. Dieser Tag steht seit über 100 Jahren symbolisch für die politischen Kämpfe der Arbeiterinnenbewegung. Dabei handelte um Kämpfe gegen Unterdrückung, Ausbeutung und gegen die systematische Zerstörung der Gesundheit von Menschen durch zu viel und zu gefährliche Arbeit oder durch die Verwehrung von ausreichend Wohnraum und dem Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen. Diese Kämpfe mögen sich bis heute teilweise gewandelt oder verschoben haben. Zu Recht wurde auch auf ihre blinden Flecke hingewiesen. Denn nur dadurch können wir Unterdrückung und Ausgrenzung immer mehr in all ihren Facetten erkennen und als Feministin versuchen, den eigenen Rassismus zu reflektieren und dabei gegen den Kapitalismus auf die Straße gehen. Grundsätzlich sind es dieselben notwendigen Kämpfe geblieben.
Gleichzeitig ging es nie nur um Kampf. Solidarität und gemeinsame Lebensgestaltung waren die zentralen Ideale.

Gerade scheint das eigene Leben, ja die ganze Welt aus den Fugen geraten zu sein. Das stimmt auch, aber irgendwie war sie das auch immer schon. Vielleicht nicht für einige hier in Tübingen, aber doch für sehr viele Leute auf der ganzen Welt bedeuteten auch schon die letzten Jahre massenhaften Tod, Hunger und allgemeine Unsicherheit. Ein Resultat des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Das einzige was bisher helfen hätte können und auch jetzt hilft, ist Solidarität. Unserer Meinung nach, darf Solidarität nicht an der eigenen Haustür oder den Staatsgrenzen enden. Denn dann wird aus Solidarität Egoismus.

Unter dem Schlagwort Covid-19 (Corona) scheint derzeit jedoch alles möglich. So auch die Einschränkung einer Reihe von Freiheitsrechten innerhalb nur weniger Wochen. Dies betrifft die Bewegungsfreiheit genauso wie die Möglichkeit von Protest. Die Corona-Beschränkungen stellten für Kommunen und Länder eine legitime Begründung zur Aushebelung des grundsätzlichen Rechts auf Versammlungsfreiheit dar. Zwischendurch sollen dann auch noch Verschärfungen des Polizeigesetzes unbeachtet durchgewunken werden, wie bei der “Informationsstelle Militarisierung” nachzulesen ist.
Darüber hinaus wurde in der öffentlichen Diskussion die Meinung etabliert, ein verantwortungsvoller Umgang mit der Corona-Pandemie sei unvereinbar mit Demonstrationen, ja allgemein mit Meinungsäußerungen im öffentlichen Raum.

Angesichts rechter Parteien und Personen in Landtagen und einer Institution wie der Polizei, die durchzogen ist von rassistischen sowie sexistischen Strukturen und welcher ein deutliches Demokratiedefizit unterstellt werden muss, erscheint es als äußerst leichtfertig, immer weiter und ohne kritische Auseinandersetzung demokratische Grundrechte aufzugeben.

Es geht nicht darum, das Risiko einer Erkrankung für viele Menschen und die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem nicht ernst zu nehmen!
Aber: Kritik und Widerspruch müssen weiter möglich sein – dies gilt gerade auch für den realen öffentlichen Raum. Denn die schlechte Einrichtung der Welt erfordert, gerade jetzt, die Möglichkeit des Protests!
Das geht übrigens auch hervorragend mit Schutzmasken und Sicherheitsabstand – würde die Polizei diese Abstände nicht durch körperliche Gewalt einreißen. Diese Gewalterfahrung mussten einige Menschen, darunter auch Journalist*innen, schmerzhaft am Aktionstag #LeaveNoOneBehind erleben.

Es ist unwahrscheinlich, dass alle Maßnahmen, die nun unter dem Banner der Corona-Bekämpfung verabschiedet werden, nach dem Ende der Krise auch wieder vollständig zurück genommen werden.

Wir rufen also dazu auf, den 1. Mai dazu zu nutzen, die Möglichkeit von Protest einzufordern – und das gerade auch im öffentlichen Raum!

Die Corona-Pandemie verstärkt bisher schon längst dagewesene Ungerechtigkeiten immer weiter. Deshalb lasst uns den 1. Mai auch dazu nutzen, auf genau diese Ungerechtigkeiten hinzuweisen!

Wir rufen weiter dazu auf, sich gemeinsam Polizeiwillkür und Polizeigewalt entgegen zustellen. Das gelingt uns nur, wenn wir uns weiter vertrauen und uns nicht gegenseitig bespitzeln und denunzieren!

Seid für einander da und tretet für die ein, die es selbst vielleicht nicht können!

Deshalb werdet mit uns gemeinsam am 1. Mai aktiv und schaltet um 15 Uhr unseren Livestream mit einem DJ-Set von VHäm-Hop und Redebeiträgen ein. Den Stream findet ihr auf stream.aboutuotpia.org.

Werdet kreativ, stellt eure Boxen ans Fenster, schnappt euch eine*n Freundi*n und euer Fahrrad und bringt den Livestream in die Straßen, macht mit selbstgemalten Transparenten und Schildern auf die Situation geflüchteter Menschen aufmerksam oder was euch eben sonst noch so alles einfällt!